Wenn die Ladestation die Lust am E-Auto weckt
Nicht jeder epochale Wandel auf unserer Erde wird mit großem Hurra begrüßt. Große technische Veränderungen stoßen oftmals auf Skepsis. Und auf die Einführung bahnbrechender Neuerungen reagieren viele Menschen nicht selten mit Ängsten. So auch an einem kalten Dezembertag im Jahr 1835: Verunsichert und doch gespannt verfolgten viele Zuschauer*innen, wie der „Adler“ den Nürnberger Bahnhof verlies und ins sechs Kilometer entfernte Fürth walzte – mit einer, für damalige Verhältnisse, atemberaubenden Geschwindigkeit von ungefähr 30 Kilometern pro Stunde. Der Adler war die erste Dampflokomotive in Deutschland: groß, schnell und laut. Für viele Menschen ein Ungeheuer und kein Ersatz für die holprige, aber vertraute Pferdekutsche.
Wer hätte damals gedacht, dass das Reisen mit der Bahn schon im darauffolgenden Jahrhundert zur absoluten Normalität wird und dazu auch noch angenehm ist? Mit Toiletten, gemütlichen Schlaf- und Speisewaggons? Vermutlich die wenigsten. Nun ist mit der Verbreitung der E-Fahrzeuge eine weitere große Mobilitätsveränderung im Gange. Während die Verbrenner die Umwelt durch CO2-Ausstoß belasten, fahren E-Autos klimaschonend. Trotz der globalen Dringlichkeit des Klimaschutzes werden in der öffentlichen Diskussion aber immer wieder Zweifel an der Elektromobilität gesät – etwa an der Reichweite von E-Autos. Oder die Angst vor einem Black-out infolge eines steigenden Strombedarfs macht die Runde. Da ist es von Vorteil, dass durch den Ausbau der Infrastruktur einerseits die Verfügbarkeit von Ladestationen deutlich erhöht wird und weiße Flecken von der Landkarte verschwinden. Mit Blick auf die Ästhetik hilft es zudem, dass die Ladestationen immer mehr zu Genussorten werden, an denen die Fahrer*innen von E-Fahrzeugen gerne Zeit verbringen.
Standort und Optik der Ladestation sind entscheidend
Wie der Verband der Automobilindustrie (vda) herausgefunden hat, sind Elektrofahrzeuge für die Menschen attraktiv, wenn sie unkompliziert sind (1). Das Laden der Batterie stellt somit einen entscheidenden Faktor da. Darunter fällt vor allem das Laden an öffentlichen Plätzen, denn gerade auf Reisen gelingt die Stromversorgung der Fahrzeuge nicht über die handliche Wallbox in der heimischen Garage. Die Fahrer*innen von E-Autos legen indes nicht nur Wert auf eine einfache Bedienung der öffentlichen Ladesäule, sondern auch auf deren Standort und Optik: Das Öko-Institut hat nachgewiesen, dass öffentliche Ladeplätze für E-Fahrzeuge deutlich häufiger aufgesucht werden, wenn der Ort für die Fahrzeugbesitzer*innen attraktiv ist (2). Bevorzugt werden moderne Komplexe, an denen das Laden zum Erlebnis wird und beispielsweise mit einem Einkauf oder einer Freizeitaktivität verbunden werden kann.
E-Auto: Das Auge lädt mit
Warum interessieren sich die Fahrer*innen nicht nur für die Funktionalität der Ladestation, sondern auch für deren Optik und Umfeld? Wir Menschen sind von Natur aus sozial orientiert. Außerdem setzt sich in der psychologischen Forschung immer stärker die Erkenntnis durch, dass wir unsere Entscheidungen oftmals an ästhetischen Kriterien festmachen. Denn generell möchten wir Menschen, wann immer es geht, unangenehme Gefühle vermeiden. Es zieht uns dorthin, wo es schön ist und wir uns gut fühlen. Wenn nun auch die Fahrer*innen von Verbrenner-Autos immer öfter an attraktiven Ladestationen vorbeikommen, kann das ihre Einstellung gegenüber der Elektromobilität zum Positiven verändern. Denn wer möchte nicht gerne das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden? Das Laden des E-Autos an einem schönen Ort mit kulinarischen und kulturellen Angeboten wird so zu einem positiven und entspannenden Moment im Alltag der Fahrer*innen.
Auf die psychologischen Aspekte der Mobilitätswende wird beim Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur intensiv geachtet. Denn die Schönheit und das Angebot an Zusatzleistungen direkt an den Ladestationen schaffen eine positive Verbindung zum Thema Elektromobilität. Das kann maßgeblich dazu beitragen, dass sich immer mehr Menschen für umweltfreundliche E-Fahrzeuge entscheiden und so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten – auch wenn die neue Technik zu Beginn nicht von allen mit begeisterten Hurra-Rufen angenommen wurde.
(1) https://www.vda.de/de/themen/elektromobilitaet/ladenetze
(2) https://www.oeko.de/news/pressemeldungen/studie-attraktiver-standort-einer-e-ladesaeule-erhoeht-die-auslastung