ZUKUNFT LADEN – EBEN DA, WO MAN GERADE IS(S)T
Otto Loserth ist als Managing Director von Mer in alle Unternehmensbereiche involviert. Im Interview teilt er seine Meinung zur Ladeinfrastruktur in Deutschland und spricht über Veränderungen, die in den nächsten Jahrzehnten auf die Automobilbranche zukommen.
Im Jahr 2030 soll es laut Prognosen mehr als 11 Millionen Elektroautos in Deutschland geben. Welche Rolle nimmt Mer dabei ein?
Wir befinden uns in einem Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und Mobilität: Wegen der Erderwärmung und dem CO2-Ausstoß können wir nicht länger auf Verbrennungsmotoren setzen, aber andererseits sind wir Menschen auf Mobilität angewiesen. Ich sehe Mer als Gestalter einer nachhaltigen Welt, in der wir nicht generell auf eine Individualmobilität mit dem Automobil verzichten müssen. Es gibt momentan einen Wandel in der Gesellschaft: Erstmalig sind Menschen dazu bereit, ihre Mobilität mit Nachhaltigkeit zu verbinden. Bei Mer ermöglichen wir, dass dieses neue Denken in die Tat umgesetzt wird. Wir stellen die komplette Ladeinfrastruktur und die IT-Infrastruktur für Elektromobilität bereit, dabei verwenden wir sauberen Strom aus Wind- und Wasserkraft. Das passt zum Setup unseres Unternehmens, weil wir 100%ige Tochter von Statkraft sind, dem größten Erzeuger von erneuerbaren Energien in Europa.
Wie bleibt Mer zukunftssicher?
Wir bieten mit Mer Solutions und Mer Germany ein umfassendes Portfolio für alle Anwendungsbereiche – vom Laden in der eigenen Garage über die Bereitstellung von öffentlichen Ladepunkten bis hin zum energiesicheren Laden großer Firmenflotten. Wir haben nicht nur langjährige Erfahrung, sondern können auch durch leistungsstarke Lösungen und eine gute IT-Integration das beste Erlebnis liefern. Ich bin kein Verfechter davon, zu sagen: „Wir müssen jede einzelne Autofahrt durch elektrisches Fahren ersetzen.“ Natürlich ist es wichtig, dass wir andere Möglichkeiten einbeziehen, wie beispielsweise den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Dennoch ist die unabhängige Mobilität mit dem Auto eine große Errungenschaft für uns Menschen. Wir wollen nicht am gleichen Fleck bleiben und wir müssen uns autonom bewegen können – dabei hilft uns die Elektromobilität auch langfristig.
Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Mer und den Standortpartnern ab?
Wir helfen Kommunen, Stadtwerken und Unternehmen dabei, ihre öffentliche Ladeinfrastruktur auszubauen. Das bedeutet, dass wir die Ladepunkte aufbauen, betreiben und managen. Wir nehmen unseren Standortpartnern alles ab und sie profitieren wiederum von der hohen Attraktivität für Kund*innen und Besucher*innen. Ein Beispiel dafür ist McDonald’s: Das Unternehmen setzt sich für nachhaltige Standards ein, nicht nur beim Energie-Management, sondern auch beim Reststoff-Management. McDonald’s hat erkannt, dass auf den Parkflächen der Restaurants nun Elektroautos stehen und laden könnten. Warum auch nicht? Das lässt sich sehr gut kombinieren, wie das Konzept „Charge & Eat“ aussagt. Bei Mer bieten wir ein Rundum-Sorglos-Paket, damit sich unsere Partner ohne zusätzlichen Aufwand für Nachhaltigkeit engagieren können. Wir suchen immer nach neuen Standortpartnern, die ihren Kund*innen den bestmöglichen Service bieten wollen.
Wie sieht dein persönliches Ladeverhalten aus?
Ich lade mein Elektrofahrzeug entweder zuhause, am Arbeitsplatz oder eben da, wo das Fahrzeug sowieso steht. Das zeigt auch, dass Elektromobilität eine enorme Zeitersparnis mit sich bringt, weil ich nicht mehr zur Tankstelle fahren muss. Mein Fahrzeug wird dort geladen, wo ich etwas zu tun habe. Ob vor Restaurants, Supermärkten, Baumärkten oder Möbelhäusern: Ich denke, dass dieser Ansatz in naher Zukunft sehr beliebt sein wird. Wenn ich auf längeren Strecken unterwegs bin, mache ich nach 2-3 Stunden sowieso gerne eine kurze Pause. Dabei ist mir wichtig, dass währenddessen das Fahrzeug mit leistungsstarker Schnelladeinfrastruktur wieder vollgeladen ist.
Wie wird sich deiner Meinung nach die Ladeinfrastruktur in den nächsten 20 Jahren verändern?
Das geht in die gleiche Richtung. Es wird deutlich mehr Ladepunkte geben und wir werden dahin kommen, dass wir unsere Fahrzeuge überall laden, wo wir gerade parken. Der Zugang wird niederschwelliger und wir werden ein leistungsstarkes Schnellladenetz und Hochleistungsladeparks haben, so dass lange Strecken kein Problem darstellen. Ich denke, dass wir auch bei den Autos mit 500 Kilometern Reichweite noch nicht das Maximum erreicht haben. Aber wenn die Nutzer*innen erstmal umgestiegen sind, werden sie bemerken, dass solche Reichweiten gar nicht nötig sind. In Kombination mit der guten Ladeinfrastruktur wird man sehr schnell erkennen, dass es sich nicht lohnt, eine schwere und teure Batterie zu nehmen, nur um einmal im Jahr 1000 Kilometer zu fahren. Das hat auch etwas mit Nachhaltigkeit zu tun, weil unnötig Ressourcen verwendet werden, die in der Praxis nicht benötigt werden. Die Batterien werden kleiner, leichter und eine größere Leistungsdichte haben.
Einige europäische Länder wollen ab 2030 keine Benzin- und Dieselmotoren mehr zulassen.
Das kann ich mir gut vorstellen, aber ich glaube nicht, dass wir dazu strenge gesetzliche Regelungen brauchen. Die Dynamik, die der Markt mittlerweile erreicht hat, wird das von selbst erledigen. Meiner Meinung nach werden die Kund*innen bei Neuzulassungen schon früher zur Elektromobilität umschwenken. Gerade in Deutschland werden die Verkäufe von Verbrennern stark zurückgehen – das sehen wir heute schon an unseren Dienstwagenparks. Flottenmanager*innen rüsten jetzt schon im großen Maße um, und wer jetzt noch ein letztes Mal einen Verbrenner bestellt, wird es in drei Jahren nicht mehr tun. Bis 2030 sind es beim Leasing, das in der Regel drei Jahre läuft, noch drei Erneuerungszyklen. Dann wird der Standard elektrisch sein.
Wie zufrieden bist du mit den Maßnahmen der Bundesregierung?
Es gibt unterschiedliche Programme, etwa die finanziellen Zuschüsse beim Fahrzeugkauf und beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Über bestimmte Einzelaktionen und Maßnahmen in Deutschland kann man natürlich diskutieren, das bringt der demokratische Diskurs mit sich. Es könnte noch mehr gehen, aber ich finde, es wurden gute Programme gestartet und vieles ist noch in der Pipeline. Wir sehen am Beispiel Norwegen, dass die unmittelbare Förderung beim Fahrzeugkauf einen großen Einfluss hat. Über 50 Prozent aller Neuwagen in Norwegen sind Elektrofahrzeuge, dazu haben die staatlichen Förderungen geführt. Der gleiche VW Golf kostet als Benziner eben mehr als die elektrische Alternative. Was ich mir aber wünschen würde: Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur gibt es in Deutschland bürokratische Hürden, die unsere Projekte unnötig in die Länge ziehen. Man muss sehr viele Anträge stellen und lange warten. Ein Beispiel: Wir warten auf Baugenehmigungen für größere Ladeparks bis zu zwölf Monate. Der Abbau dieser Hemmnisse und schnellere Verfahren würden uns helfen, die Ladeinfrastruktur in Deutschland noch schneller auszubauen. Aber das hält uns bei Mer nicht vom Wachstum ab. Wir glauben an unsere Vision: electric for everyone.