WIE MUTIG IST DAS KLIMAPAKET?
Eine persönliche Einschätzung zum Klimapaket der Bundesregierung. Von Felix Deitert.
Am 20.09.2019 stellten die Spitzen der Bundesregierung die Eckpunkte für das „Klimaschutzprogramm 2030“ vor. Das Papier umfasst 22 Seiten und beinhaltet verschiedene Maßnahmen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Klimaziele für 2030, also die Verringerung des CO2-Ausstoßes um 55 % verglichen mit 1990, erreicht werden soll. Das Paket umfasst etwa 70 Einzelmaßnahmen. Für die Umsetzung wird ein Budget im Umfang von 54 Mrd. Euro bis zum Jahr 2023 freigemacht.
CO2-Emissionen bekommen einen Preis
Zentraler Bestandteil des Pakets ist eine Abgabe für das Treibausgas CO2 für Verkehr und Gebäude. Ab 2021 wird eine Tonne des Treibhausgases mit 10 € bepreist. Diese Summe soll jährlich steigen und 2025 bei 35 € pro Tonne liegen. Ab 2026 kommt es dann zum Handel mit Verschmutzungsrechten, bei dem der Preis pro Tonne zunächst bei maximal 60 € gedeckelt ist.
Welche Auswirkungen hat die CO2-Bepreisung für die Bürger?
Die CO2-Abgabe hat zur Folge, dass fossile Energieträger geringfügig teurer werden. So erhöhen sich etwa die Preise für einen Liter Benzin oder Diesel zunächst um circa 3 Cent im Jahr 2021 bis auf etwa 10 Cent im Jahr 2025. Gleichzeitig wird jedoch die Pendlerpauschale ab 2021 ab dem 21. Kilometer befristet bis Ende 2026 von 30 auf 35 Cent erhöht und gleicht die Mehrkosten für Sprit in vielen Fällen mehr als aus. Fraglich ist, ob die Fahrer dadurch bewegt werden, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern und auf umweltfreundlichere Alternativen umzusteigen.
Geringe Höhe der Abgabe wirft Fragen auf
Auch wenn die Einführung einer solchen CO2-Abgabe laut der Bundeskanzlerin ein Paradigmenwechsel ist, so liegt die Höhe des CO2-Preises deutlich unter dem, was Wissenschaftler und Klimaaktivisten fordern. Zum Vergleich: Das Umweltbundesamt beziffert Klimafolgeschäden mit 180 € pro Tonne CO2, was auch die Forderung der Bewegung „Fridays for Future“ für eine Bepreisung ist. Klimaschutzexperten fordern zumindest 50 € pro Tonne für den Einstieg und eine radikale Erhöhung in den darauffolgenden Jahren.
Dabei würde ein CO2-Preis von 40 € pro Tonne bereits ausreichen, um die Kohleverstromung unrentabel zu machen. Der Blick auf andere Länder zeigt: Schweden erhebt bereits seit 1991 eine Steuer auf den Ausstoß von CO2 und diese beträgt aktuell 115 € pro Tonne. In der Schweiz gibt es die sogenannte „Lenkungsabgabe“, die eine Tonne CO2 mit circa 88 € bepreist. Damit verglichen sind die 10 € pro Tonne hierzulande verschwindend gering.
Alternative Antriebe sollen für weitere CO2-Einsparungen im Verkehr sorgen
Durch zusätzliche Maßnahmen im Personenverkehr erhofft sich die Bundesregierung eine „deutlich stärkere Lenkungswirkung beim Neuwagenkauf hin zu emissionsärmeren bzw. emissionsfreien Antrieben.“ So soll etwa bei Fahrzeugen die Kfz-Steuer für neue Wagen stärker an den CO2-Emissionen ausgerichtet werden.
Des Weiteren sollen alternative, emissionsfreie Antriebe gefördert werden. So werde laut Bundesregierung „die Brennstoffzelle einen großen Anteil“ an der Mobilität der Zukunft haben. Um die Technologie voranzutreiben, soll noch bis zum Jahreswechsel eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ erarbeitet werden.
Rückenwind für die Elektromobilität?
Um die Elektromobilität weiter voranzubringen, soll es bis 2030 deutschlandweit eine Million öffentliche Ladepunkte geben. Zur Erinnerung: Bereits im Februar 2018 hatte sich die große Koalition zum Ziel gesetzt, bis 2020 „mindestens 100.000 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge zusätzlich verfügbar zu machen.“
Tatsächlich ist man von diesem Ziel noch weit entfernt, da die Fördermittel nicht richtig abfließen. Das hat auch die Bundesregierung erkannt: „Der Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladesäulen kann nicht allein über Förderung gestemmt werden“, heißt es in dem Papier. Eine neue Strategie, wie der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur zusätzlich vorangetrieben werden soll, findet sich darin allerdings nicht. Dafür soll noch in diesem Jahr ein Masterplan für Stromtankstellen vorliegen.
Die meisten Ladevorgänge finden zu Hause oder am Arbeitsplatz statt. Auch die Bundesregierung hat das erkannt und will darum „gemeinsam genutzte private oder gewerbliche Ladeinfrastruktur“ fördern. Rechtliche Hürden im Wohneigentumsrecht und Mietrecht sollen dabei aus dem Weg geräumt werden.
Keine Quote für E-Autos, allerdings weitere finanzielle Anreize
Eine Mindestquote für E-Autos, über die spekuliert wurde, ist nicht vermerkt. Das Ziel, dass 2030 7-10 Mio. E-Autos auf deutschen Straßen fahren, soll neben dem Ausbau der Ladeinfrastruktur auch mit weiteren finanziellen Anreizen erreicht werden. So wurde bisher die Kaufprämie für Elektro- bzw. Hybridfahrzeuge wie übrigens auch für Autos mit Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellenantrieb über 2021 hinaus verlängert und soll für Fahrzeuge unter 40.000 € noch steigen.
Einen konkreten Wert lässt das Papier jedoch bislang vermissen. Die günstigere Dienstwagenbesteuerung (0,5%-Regel) für Elektro- und Hybridfahrzeuge wird bis 2030 verlängert und soll für reine Elektrofahrzeuge bis zu einem Preis von 40.000 Euro sogar auf 0,25 Prozent abgesenkt werden.
Weitere Maßnahmen im Personenverkehr
Öffentliche Verkehrsmittel sollen attraktiver gemacht und Radwege ausgebaut werden. Zudem soll das Zugfahren attraktiver werden. Die Mehrwertsteuer für Bahntickets soll ab 2020 von 19 % auf 7 % verringert werden. Falls die Bahn diese Ermäßigung in Form günstigerer Zugtickets weitergibt, wird Bahnfahren günstiger. Die Abgabe für Flugtickets soll zwar ab 2020 erhöht werden, eine Kerosinsteuer wird allerdings bislang nicht kommen.
Finanzielle Anreize beim Bauen und Wohnen
Im Bereich Bauen und Wohnen sollen die Bürger dazu gebracht werden, ihre Wohnungen und Häuser klimafreundlich umzubauen. So wird etwa der Austausch alter Ölheizungen durch klimafreundliche Modelle mit bis zu 40 % der Kosten gefördert. Der Einbau neuer Ölheizungen wird ab 2026 verboten. Allerdings machen Ölheizungen bei Neubauten laut statistischem Bundesamt nur 0,6 % aller neuen Heizungsanlagen aus.
Kann die „Klimakrise“ im bestehenden System überhaupt gelöst werden?
Die Situation, in der wir uns heute wiederfinden, ist das Ergebnis aus den Folgen eines neoliberalen Produktions- und Konsummodells, welches auf permanentem Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig begrenzten Rohstoffen basiert. Umweltschäden sind nur ein Resultat des Ganzen. Nun wird nach den globalen Gemeingütern Wasser, Bildung, Gesundheitsversorgung und Pflege auch die saubere Luft für den freien Markt geopfert, indem mit CO2-Emissionen gehandelt wird – neben Zertifikaten auch in Form komplizierter Finanzderivate, mit denen spekuliert werden darf. Dabei hat der Europäische Emissionshandel, der seit 2005 das Klimaschutzinstrument der EU darstellt, bereits gezeigt, dass er nicht zur Reduktion von CO2-Emissionen führt.
Albert Einstein sagte einst: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
Quellen: Tagesspiegel, Bundesregierung, Bundesumweltamt, Deutschlandfunk, attac, Spektrum der Wissenschaft, n-tv, KenFM, Volker Quaschning, ZDF Heute, Zeit Online