PERSÖNLICH, REALISTISCH UND GANZHEITLICH
Projektmanager Moritz Fehlow ist mittlerweile seit drei Jahren im Team. Im Interview spricht er über seine persönliche Motivation und teilt seine Visionen im Hinblick auf die Energie- und Verkehrswende.
Moritz, was bringt dich dazu, jeden Morgen aufzustehen?
Ich möchte mit meinem Wissen und Tun einen größeren Hebel in Bewegung setzen und dafür sorgen, dass wir in der Elektromobilität vorwärtskommen. Ich suche grundsätzlich gerne nach nachhaltigen Lösungen, in allen Bereichen, und das Potential von E-Autos ist offensichtlich. Es wird zukünftig zwar Alternativen wie Brennstoffzellen geben, aber die Elektromobilität geht massiv vorwärts. Mir geht es darum, etwas zu entwickeln, was wirklich funktioniert und den Status quo verändert. Ein Beispiel: Ich verwende meine Zeit und Energie ungern dafür, einzelne Fahrer im direkten Gespräch von einem E-Auto zu überzeugen. Vielmehr erarbeite ich Alternativen für die breite Masse, die nicht nur in der Theorie funktionieren, sondern auch praktisch umsetzbar sind.
Mit welchen Vorurteilen hat deine Branche zu kämpfen?
Die Gegner von Elektroautos beschweren sich darüber, dass die Stromversorgung zusammenbricht, wenn alle ihre Autos aufladen, aber das stimmt nicht. Durch unseren intelligenten Algorithmus und die Zusammenarbeit mit Statkraft fließt der Strom nur dann ins Auto, wenn das Stromnetz eine geringe Auslastung hat. Mit einem intelligenten Stromnetz, das einen Austausch zwischen Verbraucher, Netzbetreiber und Erzeuger ermöglicht, ist zukünftig noch vieles mehr möglich. Und natürlich gibt es auch Gegner, die sagen, dass bei der Herstellung eines E-Autos so viel CO2 ausgestoßen wird, dass die Bilanz über den gesamten Lebenszyklus trotzdem schlechter als beim Verbrenner bleibt. Das stimmt so auch nicht: Analysen haben gezeigt, dass beim schwedischen Elektroauto „Polestar 2“ mit Strom aus dem europäischen Strommix nach 78.000 Kilometern der Break-even erreicht ist. Speist man den Akku mit Strom aus 100 % Windenergie, erreicht man die Parität bereits nach 50.000 Kilometern.
Legt Mer den Grundstein für einen nachhaltigen Mobilitätssektor?
Im Bereich des nachhaltigen Individualverkehrs sind wir ganz vorne mit dabei. Wir fokussieren uns momentan auf elektrische Dienstwagen und das ist ein wichtiger Technologie-Treiber, weil etwa die Hälfte aller Neuzulassungen von Elektro-PKWs gewerblich sind. Zukünftig sollten aber auch private Autofahrer ohne Probleme auf Elektroautos umrüsten können. Zusätzlich müssen andere Bereiche wie der öffentliche Nahverkehr elektrifiziert und dessen Attraktivität gesteigert werden.
Es ist schwer, mit einer perfekten All-in-one-Lösung die Verkehrswende einzuläuten. Wie können wir als Gesellschaft dieses Ziel realistisch umsetzen?
Meiner Meinung nach kann das in der breiten Masse nicht vom Nutzer ausgehen, sondern muss von der Wirtschaft initiiert werden. Sowas passiert leider nicht aufgrund von Ideologien. Das ist zwar schade, aber die gute Nachricht lautet: Die Wirtschaft setzt jetzt auf die Strategie „Elektro“ und der Vorgang hat schon begonnen. Automobilbauer bringen immer mehr E-Modelle auf den Markt und üben dadurch Druck auf die Politik aus. Das führt dazu, dass in den nächsten Jahren immer mehr Ladepunkte installiert werden. Die Rahmenbedingungen aus Sicht des Fahrers verbessern sich kontinuierlich, sprich: Es gibt bald eine vielfältige Modellpalette und genug Ladestationen. So wird das Elektroauto für die breite Masse attraktiv. Wir sollten uns also bewusst machen, dass wir am Anfang einer Revolution stehen. Veränderung geht meist mit Skepsis einher, gerade wenn sich Gewohnheiten ändern müssen. Es ist notwendig, den Umgang mit diesem Planeten und seinen Ressourcen zu verändern. Dazu gehört auch die Verkehrswende – eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.
Was ist der nächste Schritt?
Momentan ist das private Elektroauto eher ein Produkt für die kaufkräftige Mittel- und Oberschicht. Viele Fahrer haben ein alleinstehendes Haus mit eigener Garage. Innerhalb der Mer-Gruppe arbeiten wir schon an attraktiven Lademöglichkeiten für Menschen, die mitten in der Stadt wohnen und ihre Autos in Tiefgaragen aufladen müssen. Alles ist möglich, man schaue mal nach Holland: Wenn es im Umkreis von zwei Kilometern keine Lademöglichkeit gibt, dann kümmert sich der Staat um die Installation einer öffentlichen Ladestation.
Was steht einer Verkehrswende in Deutschland im Weg?
In Deutschland ist die Energiewende in vollem Gange, vor allem durch Photovoltaik und Windkraft, und dementsprechend brauchen wir zukünftig flexible Verbraucher wie das E-Auto. Was unsere Branche behindert und meine Arbeit enorm erschwert, ist die Zusammenarbeit mit den Verteilnetzbetreibern. Die müssten technologieoffener sein und akzeptieren, dass die Veränderung längst begonnen hat und dass im System nun auch flexible Prosumer ihren Platz haben müssen. Im Hintergrund muss eine Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen passieren.
Was wäre ein praktisches Beispiel dafür?
Wir bewegen uns im Spannungsfeld Mobilitätssektor vs. Energiewirtschaft. Im Mobilitätssektor geht es schnell vorwärts, man muss sich nur die neuen E-Modelle der großen Autobauer ansehen. Aber in der Energiewirtschaft mahlen die Mühlen langsam. Ein Paradebeispiel: In Deutschland gibt es über 800 verschiedene Verteilnetzbetreiber. Diese Netzbetreiber sind unsere Marktpartner, wenn wir Wallboxen für Elektroautos installieren und beliefern. Es gibt zwar Standardverfahren, aber viele Betreiber können diese (noch) nicht umsetzen, obwohl es gesetzliche Vorschriften gibt. Das kann wirklich frustrierend sein.
Mit welchem Gedanken motivierst du dich zum Weitermachen?
Ich habe ein klares Ziel vor Augen: Smart Charging auf die Straße zu bringen. Das Zielbild ist nicht kompliziert, aber der Weg dahin muss in kleinen Schritten erfolgen. Am Anfang dürfen wir den Arbeitsaufwand nicht scheuen und müssen investieren. Wir brauchen einen langen Atem. Oft gibt es auch nicht die ultimative Lösung, aber es reicht für den Moment und genügt als erster Schritt. So können wir zeigen: Es gibt Bewegung. Wir kommen vorwärts und arbeiten am Wandel.
Was denkst du: Wie sieht der Umgang mit Strom zukünftig aus?
Ich glaube, dass wir Mobilität und Stromversorgung nicht mehr separat betrachten dürfen, sondern das Thema ganzheitlich angehen müssen. Momentan werden bei Spitzenlasten die flexiblen Kraftwerke angeschmissen und es wird auf den Bedarf reagiert. Aber Wind und Sonne produzieren, ohne darauf zu achten, wann der Strom verbraucht wird. Daher müssen wir ein anderes Bewusstsein für verfügbare Ressourcen entwickeln und erzeugungsorientiert handeln. Das heißt in Bezug auf Elektromobilität, dass es nicht selbstverständlich sein sollte, immer schnellstmöglich ein zu 100 % vollgeladenes Auto in der Garage zu haben.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in deinem Privatleben?
Mir ist der Wert der Natur und des Ökosystems, in dem wir leben, mehr als bewusst. Ich habe Umweltingenieurwesen studiert und bin fest davon überzeugt, dass jeder Einzelne einen Beitrag leisten kann. Ich achte beispielsweise darauf, möglichst wenig Fleisch zu essen. Wenn wir alle weniger Fleisch konsumieren, dann setzen wir einen gewaltigen Hebel in Bewegung. Ich versuche auch, mein Konsumverhalten zu überdenken: Brauche ich wirklich die neuen Kopfhörer, wenn meine jetzigen einwandfrei funktionieren? Bei solch impulsiven Kaufgedanken muss ich mir immer wieder bewusst machen, dass jeder Kauf auch unnötigen Elektromüll produziert.
Schauen wir in deine Zukunft: Was könnte ein spannendes Projekt als Teil von Mer sein?
Momentan bieten wir den klassischen PKW als elektrischen Dienstwagen an, allerdings sehe ich auch ein enormes Potential im Bus- und LKW-Verkehr. Da müssen wir nicht haltmachen. Theoretisch wäre in Zukunft auch der Luftverkehr ein interessanter Bereich. Die Idee besteht – warum auch nicht? Die Verschmelzung von Energiewirtschaft und Mobilitätssektor wird nicht beim PKW aufhören.