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Die größten E-Auto-Mythen und was wirklich dran ist

Zu teuer, brandgefährlich und schlechter für die Umwelt als ein Verbrenner: Über Elektroautos kursieren immer noch viele Vorurteile. Doch welche davon treffen zu?

eeFlatDas derzeit weltweit meistverkaufte Auto fährt elektrisch: der Tesla Model Y. Dieser Fakt sollte eigentlich genügen, um das anstehende Ende des Verbrennungsmotors zu erkennen. Und doch entscheiden sich 80 Prozent der Neuwagenkäufer in Deutschland immer noch für einen Verbrenner. Einige Hersteller melden sogar sinkende Nachfrage nach E-Autos. Doch woran liegt das? Vielleicht auch an Mythen, die immer noch über Batteriefahrzeuge kursieren. Hier sind acht davon – und eine Analyse, was von den Unkenrufen tatsächlich stimmt.

Die Ökobilanz von E-Autos ist schlechter als bei einem Verbrenner

Diese Annahmen wurden mittlerweile in zahlreichen Studien widerlegt. Wichtig ist dabei, den kompletten Lebenszyklus eines Autos zu betrachten, also die Herstellung, die Nutzung und die mögliche Wiederverwertung. Geschieht das mit realistischen Annahmen, liegt das Elektroauto immer vorne, auch wenn es durch die energieintensive Batterieherstellung erst einmal einen größeren CO2-Rucksack zu tragen hat als der Verbrenner. Die Bundeswehr-Universität in München hat etwa errechnet , dass bei Verwendung von Ökostrom vollelektrische Fahrzeuge die Gesamtemissionen im Vergleich zu Verbrennern um 89 Prozent reduzieren können. Das International Council on Clean Transportation (ICCT) kommt auf ähnliche Werte.

Selbst mit dem aktuellen europäischen Strommix schneidet das E-Auto bei den CO2-Emissionen noch um bis zu 69 Prozent besser ab als Verbrenner. Klar ist: Je kleiner die Batterie und je grüner der Strom, desto schneller überholt das Elektroauto den Verbrenner. Der österreichische Autoklub ÖAMTC hat in Zusammenarbeit mit der Joanneum-Research-Forschungsgesellschaft ebenfalls die Ökobilanz verschiedener Modelle untersucht und bietet sogar einen Rechner an , bei dem man selbst den CO2-Ausstoß eines Fahrzeugs im Antriebsvergleich ermitteln kann.

Es gibt nicht genug Strom für Elektroautos

Würden eines Tages tatsächlich alle rund 45 Millionen Autos in Deutschland elektrisch fahren, stiege die Stromnachfrage um 20 Prozent, sagen Berechnungen des Fraunhofer-Instituts . Bis 2030 dürfte es nach Prognosen der Forscher allerdings erst sieben bis zehn Millionen E-Autos auf deutschen Straßen geben. Damit würde sich der Strombedarf um gerade einmal drei bis 4,5 Prozent erhöhen. Eine Menge, deren Erzeugung laut Energiekonzernen wie Vattenfall oder EnBW kein Problem darstellt. Auch das Bundesumweltministerium rechnet vor , dass dieser Mehrbedarf deutlich geringer ist als das Tempo, mit dem erneuerbare Energien in Deutschland ausgebaut werden. Zumal die Umstellung auf E-Autos ja nicht über Nacht passiert, sondern der Hochlauf nach und nach erfolgt.

Was durchaus eine Herausforderung für das Stromnetz sein kann, sind regionale Lastspitzen – also was passiert, wenn viele E-Autos gleichzeitig laden. Etwa wenn am Abend alle in einer Wohnsiedlung ihr Fahrzeug an die Wallbox, also die heimische Ladestation, anschließen und gleichzeitig immer mehr Wärmepumpen Strom benötigen. Da das Stromnetz noch nicht überall so gut ausgebaut ist, dass es solche Lasten abfedern kann, sind solche Szenarien nicht ausgeschlossen. Für derartige Fälle hat die Bundesnetzagentur gerade erst ein Konzept vorgestellt . Sollten lokal solche Überlastungen drohen, kann die Leistung der Wallboxen stundenweise gedrosselt werden – die Batterie des Autos wird dann langsamer geladen, ist in der Regel aber dennoch bis zum Morgen wieder ganz oder fast voll. Eine komplette Abschaltung der Wallboxen soll es nicht geben. Außerdem können Verbraucher sogar sparen, wenn sie einen intelligenten Stromtarif abschließen. Sie laden das Auto dann, wenn genug Strom verfügbar ist, und zahlen dafür weniger.

Die Batterien halten nicht lange und sind dann Sondermüll

Die Sorge, dass E-Auto-Batterien schon nach kurzer Zeit den Geist aufgeben, sind unbegründet. Die meisten Hersteller geben mittlerweile auf ihren Akku eine Garantie von acht Jahren oder 160 000 Kilometer. Es gibt aber auch Modelle, für die die Autobauer deutlich höhere Laufleistungen garantieren. Spitzenreiter dürfte Lexus sein, wo für den UX300e sogar eine Million Kilometer als Garantiewert angegeben werden. Allerdings gelten diese Versprechen in der Regel für eine bestimmte Batteriekapazität. Meist greift die Garantie erst, wenn der Akku weniger als 70 Prozent seiner ursprünglichen Kapazität hat. Das Auto verliert also an Reichweite, doch deshalb ist der Akku noch lange nicht kaputt. Ansonsten ist es wie beim Verbrenner: Manche fahren viele Hunderttausend Kilometer ohne Probleme, bei anderen gibt der Motor schon deutlich früher den Geist auf. Doch das Vorurteil, dass E-Autos durch ihren Akku früher kaputtgehen als Diesel oder Benziner, lässt sich nach den bisherigen Erfahrungen und Analysen von Experten nicht bestätigen.

Taugen die Batterien nicht mehr für ein Auto, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder können sie noch als stationäre Energiespeicher genutzt werden. Solche Projekte gibt es bereits überall auf der Welt, in Deutschland zum Beispiel über eine Kooperation von Audi und EnBW . Auch RWE nutzt bereits ausgemusterte Autobatterien als Stromspeicher.

Das Ziel ist es jedoch, E-Auto-Batterien am Ende ihres Lebens zu recyceln und die Rohstoffe, die rar und teuer sind, wiederzuverwenden. Weltweit entstehen aktuell Recycling-Fabriken für Auto-Akkus, teilweise mit Beteiligung der Autokonzerne. Aber vor allem Batteriehersteller wie CATL oder Northvolt sowie Chemieunternehmen wie BASF wollen in das Geschäft mit den alten Autobatterien einsteigen. Dazu kommen jetzt schon auf Recycling spezialisierte Firmen wie Umicore.

Zudem macht die EU Druck, indem sie immer striktere Quoten vorschreibt, zu wie viel Prozent Stoffe wie Nickel, Kobalt oder Lithium aus den alten Batterien wieder herausgeholt werden müssen. Von 2027 an muss demnach mindestens die Hälfte des Lithiums aus den Batterien zurückgewonnen werden, bis 2031 soll diese Quote auf 80 Prozent steigen. Zusätzlich müssen Hersteller neuer Batterien von 2031 an sechs Prozent des Lithiums und des Nickels sowie 16 Prozent des Kobalts aus recycelten Materialien gewinnen.

Batterien von E-Autos werden also nicht einfach irgendwo auf dem Sondermüll landen – dafür ist ihr Inhalt zu wertvoll.

E-Autos sind teuer

Dabei kommt es darauf an, welche Fahrzeuge man miteinander vergleicht und wie günstig man sie betreiben kann. Der ADAC hat für Neuwagen einen großen Vergleich angestellt – und zwar für die Gesamtkosten über mehrere Jahre. Denn ein E-Auto mag in der Anschaffung teurer sein als ein vergleichbares Verbrenner-Modell, doch weil es weniger Wartungskosten verursacht und je nach Verbrauch und Stromkosten viel günstiger betrieben werden kann, rechnet es sich am Ende in vielen Fällen für den Autofahrer doch – zumal Benzin und Diesel perspektivisch durch den steigenden CO2-Preis immer teurer werden. Lediglich bei kleineren Autos können Benziner laut ADAC noch Vorteile haben, wenn der Strom teuer und der fossile Sprit günstig ist. Dort macht sich bemerkbar, dass kleine E-Autos trotz staatlicher Förderung immer noch deutlich mehr kosten als Verbrenner-Kleinwagen. Aber auch da kommt es am Ende auf das eigene Nutzungsprofil an: Wer das Auto mit Strom aus der heimischen Solaranlage betreibt, kann trotzdem in der Summe günstiger fahren als mit einem Verbrenner.

Wer sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach E-Autos umschaut, findet allerdings bislang nur einen kleine und vergleichsweise teure Auswahl. Ein E-Auto unter 20 000 Euro mit einer guten Reichweite ist aktuell noch kaum zu bekommen. Das Angebot dürfte erst in den kommenden Jahren langsam zunehmen, wenn mehr gebrauchte E-Autos auf den Markt kommen.

E-Autos sind brandgefährlich

Seit in der Nordsee ein Autofrachter brannte, der auch mehrere Hundert E-Autos geladen hatte, wird wieder über die Brandgefahr von Elektroautos diskutiert. Dabei ist mittlerweile sehr gut dokumentiert, dass Fahrzeuge mit Batterieantrieb sogar seltener Feuer fangen als Verbrenner. Das zeigt etwa eine große Auswertung von Autoversicherungsdaten in den USA. Die schwedische Zivilschutzbehörde (MBS) kam zu einem ähnlichen Ergebnis . Auch bei Crashtests schneiden laut dem ADAC E-Autos sogar häufig besser ab als Autos mit herkömmlichen Antrieben. Allerdings müssen Feuerwehrleute beim Löschen eines Batteriefahrzeugs etwas anders vorgehen.

Es gibt nicht genügend Lademöglichkeiten

Wie komfortabel man mit einem Elektroauto unterwegs ist, hängt tatsächlich viel vom persönlichen Umfeld ab. Wer zu Hause oder bei der Arbeit eine Lademöglichkeit hat, für den ist ein E-Auto sogar bequemer als ein Verbrenner, weil die Fahrt zur Tankstelle entfällt. Man lädt dort, wo das Auto sowieso parkt, und das zu einem festen Tarif. Wer auf öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen ist, muss ein bisschen besser planen und zum Beispiel schauen, ob er das Laden mit dem Einkaufen oder anderen Aktivitäten verknüpfen kann. Da jeder Deutsche im Schnitt pro Tag nur zwischen 30 und 40 Kilometer fährt, reicht es für die meisten Menschen jedoch aus, einmal pro Woche zu laden. Allerdings gibt es Regionen, in denen es nur wenige oder gar keine Ladesäulen gibt. Das Ziel der Bundesregierung sind eine Million Ladepunkte bis 2030, bislang sind es allerdings erst rund 90 000, davon rund 14 000 Schnelllader.

Am Ende werden sich Wasserstoff- oder E-Fuel-Fahrzeuge durchsetzen

Grundsätzlich können Autos auch mit Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Für beide Verfahren braucht es jedoch ebenfalls grünen Strom, damit sie klimaneutral fahren können- und zwar in deutlich größeren Mengen als für Elektroautos. Denn Wasserstoff und E-Fuels haben einen viel schlechteren Wirkungsgrad, was bedeutet, dass man mit dem gleichen Einsatz an Energie viel kürzere Strecken zurücklegen kann als mit einem reinen E-Auto.

Allein in Deutschland könnte man diesen Energiebedarf für alle Autos gar nicht decken, deshalb müsste man grünen Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe im Ausland herstellen – am besten dort, von es viel Wind oder viel Sonne gibt – und dann importieren. Doch besonders für E-Fuels gibt es erst ein paar kleinere Anlagen, die auf absehbare Zeit auch nicht so viel künstlichen Sprit produzieren können, wie im Verkehr benötigt wird. Denn auch andere Branchen, vor allem die Schifffahrt und der Luftverkehr, sind auf Wasserstoff und E-Kraftstoffe angewiesen – und haben keine bessere Alternative wie die Autoindustrie.

Dazu sind die Kosten für E-Fuels oder Wasserstoff deutlich höher als für den Strom, der direkt in eine E-Auto-Batterie fließt. Deshalb stellt sich auch die Frage, wer sich diese Kraftstoffalternativen überhaupt leisten könnte. Eine politische Vorgabe, rein auf E-Mobilität zu setzen, gibt es übrigens nicht. Auch Wasserstoff-Fahrzeuge werden zum Beispiel über die Umweltprämie gefördert, genau wie der Aufbau von Wasserstoff-Infrastruktur oder die Entwicklung von E-Fuels.

Die Batterien sind eine große Umweltsauerei

Elektroautos benötigen Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt, deren Abbaubedingungen immer wieder diskutiert werden, etwa aus Umweltschutz-Gründen oder weil Menschen, teilweise auch Kinder, dafür ausgebeutet werden. Was jedoch kaum diskutiert wird: Zum einen stecken die meisten dieser Rohstoffe auch in Verbrennern – Seltene Erden etwa, aber auch Kobalt. Zum anderen finden sie sich in unzähligen anderen elektronischen Geräten, die die meisten Menschen täglich nutzen, sei es das Smartphone oder der Laptop. Hinzu kommt, dass es auch bei der Förderung von Öl enorme Umweltschäden gibt. Deshalb ist der Recycling-Ansatz, der für Autobatterien vorgesehen ist, auch eine Chance, Ressourcen zu schonen. Etwas Ähnliches ist bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern nicht möglich.

Text: Christina Kunkel/Süddeutsche Zeitung