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BEWAHREN DURCH LADEN IN DER NACHT

BEWAHREN DURCH LADEN IN DER NACHT

Wie genau könnte eine nachhaltig organisierte Energie- und Mobilitätswende in Europa eigentlich aussehen? Wir wagen einen Blick in die Zukunft, basierend auf technischen Lösungen, die es schon heute gibt.

Menschen, die in Zukunft ein Elektrofahrzeug fahren, sind keine Konsumenten mehr, sondern Prosumenten. Falls Sie mit diesem Begriff noch nicht vertraut sind: keine Angst, es handelt sich dabei nicht um einen technischen Cyborg-Ersatz Ihrer menschlichen Hülle, sondern um eine Verschmelzung der Begriffe „Produzent“ und „Konsument“. Denn Elektrofahrzeugbesitzer sind in Zukunft beides. Während unsere heutige Mobilität ein Auto lediglich als Transportgefäß denkt, das uns möglichst komfortabel von A nach B bringen soll, denkt die Zukunft ein Auto als mobilen Energiespeicher, der von einem smarten Stromnetz, wann immer nötig, angezapft werden kann. Natürlich ohne den Fahrer in seiner Mobilität einzuschränken oder zu behindern. Das Elektrofahrzeug der Zukunft konsumiert also nicht nur Energie, es produziert sie im Bedarfsfall auch.

Dabei sind die Elektrofahrzeuge nicht nur mit dem sogenannten Smart Grid vernetzt, sondern bilden zusammen mit anderen erneuerbaren Energiequellen wie der Windkraft oder der Photovoltaik sogenannte virtuelle Kraftwerke, die bisher nötige Großkraftwerke ersetzen. Wie das funktioniert? Ein Auto wird schon heute gerade mal 5 Prozent seiner Lebenszeit bewegt. Die meiste Zeit parkt es. Vor allem nachts. In dieser Zeit, wenn Wind- oder Wasserkraftwerke noch immer verlässlich grünen Strom produzieren können, sollen in Zukunft die Batteriespeicher von Millionen Elektrofahrzeugen aufgeladen werden. Wird das Auto am nächsten Tag nur wenig oder gar nicht bewegt, kann das Elektrofahrzeug helfen, Lastspitzen auszugleichen, falls Sonne, Wind und Wasser tagsüber einmal nicht ausreichen. Denn immerhin steckt in einer vollgeladenen Autobatterie so viel Strom, wie ein Einfamilienhaus in einer Woche benötigt. Dieser Vorgang nennt sich Bidirektionales Laden. Technisch funktioniert das schon heute. Der Grund, warum wir die Vorteile des Bidirektionalen Ladens noch nicht nutzen, liegt im verzögerten Netzausbau. Und auch die Stromgesetzgebung hinkt noch ein paar Jahre hinter der Realität hinterher, wie wir heute und in Zukunft Energie produzieren und verbrauchen.

Dank der virtuellen Kraftwerke wird unsere Energieversorgung dezentraler. Auch Unternehmen werden immer häufiger ihren Strom selbst produzieren und Photovoltaikanlagen oder Windräder am Firmenstandort nutzen können. Die Angst, dass uns bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien der Strom ausgeht, ist vollkommen unbegründet. In den kommenden Jahren werden die Elektrofahrzeug-Batterien der 1. Generation ihren Dienst quittieren, da ihre Kraft nicht mehr ausreicht, um ein Fahrzeug zu bewegen. Sie werden dann jedoch nicht entsorgt, sondern als Batteriespeicher in Häusern, Supermärkten, Bibliotheken, Fitnessstudios, einfach überall, verbaut. Ein Auto können diese Batterien nicht mehr bewegen, aber ein paar Tiefkühltruhen oder Lampen oder Fitnessräder mit Strom versorgen, dafür reicht die Power noch ein paar Jahre aus.

Trotz der zunehmend wichtiger werdenden dezentralen Energieversorgung wird der Austausch von Energie zwischen den Staaten Europas ebenfalls einfacher funktionieren. Schon heute gilt beispielsweise Norwegen als Batterie Europas, da die dortigen Wasserkraftwerke nicht nur große Energiemengen produzieren können, sondern sich auch sehr schnell hochfahren lassen. Mittels Interkonnektoren, die derzeit bereits gebaut werden, profitiert auch der Rest Europas von Norwegens Wasserkraftpotenzial, während Norwegen im Austausch den Windkraftüberschuss nutzen kann, der in Nord- und Ostsee generiert wird. Derartige Energieallianzen werden ganz Europa durchziehen, ebenso wie die Armada an Elektrofahrzeugen, die unsere Energieversorgung so flexibel und mobil wie noch nie machen.

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